Meine Frau und ich waren gerade wieder zwei Wochen mit Zelt unterwegs. Die Diskussionen hier noch im Hinterkopf habe ich mal etwas bewusster auf die Details des täglichen Umganges mit unserem aktuellen Zelt geachtet. Und da ich nun schon viele Jahrzehnte zu allen Jahreszeiten, vom 31. bis zum 70. Breitengrad und von 0 bis 3000m Höhe zeltend unterwegs bin und dabei etliche Zelte verschlissen habe, habe ich auch ein paar Vergleichsmöglichkeiten.
Natürlich decken sich meine Ansprüche nicht zu 100% mit den Eurigen. Klar kenne ich auch nicht alle Modelle, die derzeit angeboten werden. Und sicher gibt es immer sinnvolle Schnäppchen, für die man auch Qualitäts- und Handhabungskompromisse eingehen kann. Trotzdem würde ich eher ein hochwertigeres Zelt empfehlen als eines vom Aldi- Grabbeltisch.
Und 300 - bis 500€ für ein Zelt liefern im Vergleich mit - sagen wir - einer Zubehör-Auspuffanlage mit Sicherheit das bessere Kosten-Nutzen-Verhältnis.
Hier mal Details, auf die ich beim Zeltkaufentscheidungen zu achten gelernt habe:
Glasfasergestänge ist schwer und kann, wie ich leider erleben musste, schnell splittern. Alu-Gestänge ist teurer, aber wesentlich leichter und eigentlich unkaputtbar. Bei Markenzelten werden oft noch Reparaturhülsen mitgegeben, aber ich habe noch nie gehört geschweige denn erlebt, dass die mal zum Einsatz gekommen wären. Für mich kommt Glasfasergestänge nicht mehr in Frage. Wer über Geld nicht nachdenken muss, kann statt dessen über Kohlefasergestänge nachdenken.
Tunnelzelte haben ein gutes Verhältnis zw. Gewicht und Volumen, da sie vergleichsweise wenig Gestänge brauchen. Wegen der steilen Wände kann man auch gut darin sitzen/stehen. Sie brauchen aber an den Giebelseiten eine stabile Verankerung, um stabil stehen zu können. Am Sandstrand kann man Tunnelzelte vergessen, sobald ein bisschen Wind weht. Auf geschotterten Caravan-Stellplätzen hat man auch ein Problem. Außerdem ist es etwas fummelig aufzubauen, da es erst durch die Häringe steht. Unser "Hauszelt" ist ein größeres Tunnelzelt und hat sich auf naturnahen Campingplätzen als Dauerzelt gut bewährt.
Ein klassisches Kuppelzelt hat wohl das beste Verhältnis Grundfläche- Gewicht - Preis. Auch braucht es nicht zwingend Häringe, um stabil zu stehen. Da aber alle Wände geneigt sind, kann man zu zweit im 2er-Zelt eigentlich nicht mehr sitzen. Die Apsis verlangt außerdem eine Abspannung, wenn sie genutzt werden soll. Einige Kuppelzelte haben eine zusätzliche kurze First-Stange, durch die zwei der Wände steiler gehalten werden. Das ist - finde ich - eine sehr sinnvolle Erfindung.
Ein Geodätenzelt ist vergleichbar mit dem grazilen Stahlrohr-Gitterrahmens eines exotischen und teuren Motorrades. Bei Sturm allen anderen Konstruktionen überlegen, dabei sehr leicht. So ein Zelt allerdings bei Sturm aufzubauen ist nicht lustig Ziemliche Fummelei. Trotzdem habe ich dieses Zelt geliebt, weil es so leicht ist und so ein kleines Packmaß hat. Es hat mich viele Jahre begleitet und z.B. auch bei -10°C und Orkan auf dem Brocken meinen Nachtschlaf gewährleistet. Und obwohl der Boden nicht mehr dicht ist und ich es seit 20 Jahren nicht mehr benutzt habe, bringe ich es nicht übers Herz, es zu entsorgen. Heute nennen sich solche Zelte Expeditions-Zelte und kosten ein kleines Vermögen. Meines ist ein Vor-Wende-Zelt aus der Tschechoslovakei.
Bei vielen Zelten hat man Stofftunnel, durch die das Gestänge gefädelt werden muss. Das kostet Zeit und ist mühselig. Vor allem beim Abbau hat man den Ärger, dass sich das Gestänge in den Tunneln gern trennt und sich die Einzelteile im Stoff verhaken. Für mich kommen nur noch Zelte in Frage, bei denen das Innenzelt mit Haken o.ä. am Gestänge befestigt wird.
Stabiler Stoff ist schwer. Leichter Stoff ist empfindlich. Oder teuer. Da muss man einen Kompromiss finden. Ein Qualitätsmerkmal ist sicher, wenn der Zeltboden aus einem stabileren Stoff gefertigt ist als das Überzelt. Der Zeltboden muss mehr abkönnen, beim Dach kann man etwas sparen - an Wassersäule, Durchstich- und Weiterreißfestigkeit und damit an Gewicht. Zelte, die rundum aus dem gleichen Stoff bestehen machen mich misstrauisch.
Das Packmaß ist auch nicht ganz unwichtig. Kann man das Gestänge kurz genug zusammenfalten, dass es in's Topcase passt? Ist der Packbeutel für das Zelt groß genug, dass man das Zelt bequem hineinbekommt oder artet das Verpacken - zumal bei nassem Stoff - in eine Krampf aus und endet je nach Veranlagung in Verzweiflung resp. Wutausbrüchen?
Und - aus meiner Erfahrung ganz wesentlich: Bestehen die Häringe aus verzinktem Eisendraht oder aus durchdacht gestyltem Dural?
Mein jetziges Zelt, das Mutha Hubba von MSR, ist eine wie ich finde geniale Mischung aus Tunnel- und Kuppelzelt. Es steht zur Not ohne Häringe und auch ohne Überzelt, ist stabil und leicht und hat im Vergleich zum Gewicht eine gigantische Nutzfläche mit ziemlich steilen Außenwänden und ordentlicher Höhe. Kleines Packmaß, so dass es in die Fahrad-Tasche passt. 3kg Gewicht ist okay. Das Innenzelt bleibt bei jeder Witterung zuverlässig trocken. Beim Aufbau hab ich mal auf die Uhr geschaut: Vom Öffnen der Packtasche bis zum fertigen Abspannen haben wir zu zweit dreieinhalb Minuten gebraucht, ohne in Hektik zu verfallen. Wir haben das Zelt jetzt ca. 4 Jahre und jedes Jahr ca. 4 Wochen im Einsatz.
Da sind die 450€ gut angelegt.