Warum man einen Einzylinder so schwer machen muss erschließt sich mir nicht ... zumal die Enduro-Schwester, die XT660R, ja tatsächlich diese 180 kg hat.
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Mir erschließt sich dieses Übergewicht auch nicht. Auf Tenere.de habe ich das schon sehr detailliert angesprochen. Meine 1984er Ténéré mit der Werksbezeichnung XT 600Z 55W wog mit gefülltem 30 Liter Tank genau 163 kg. Die Federelente waren den Motocross-Wettbewerbsmaschinen YZ-F entnommen, die Gabel z. B. hatte einen Hub von 255 mm und konnte mit Luftunterstützung aufwarten. Meine Frau hatte auch eine 55W vom Jahrgang 1985, zusammen haben wir damit je 30.000 km ohne große Probleme abgeritten. So etwas in der Art hatte ich mir nach meinem Endurourlaub 2020 vorgestellt. Aber so etwas gibt es nicht mehr. Die Japaner haben sich mit großvolumigen Einzylindern völlig aus Europa zurück gezogen. KTM oder Husqvarna würde ich mir nicht kaufen, da ist mir einfach zuviel zu der anfälligen Technik zu Ohren gekommen. Wer es nicht glaubt dem empfehle ich z. B. den Kanal Pirate Racing auf Youtube.
Ich versuche aber dennoch zu erklären, woher das Gewicht der XT 660Z kommt.
1. Sie hat eine Doppelscheibenbremse am Vorderrad. Das haben die Schwestermodelle X und R nicht. Die "Z" möchte auch Reisekomfort für zwei Personen bieten. Dazu gehören neben einer insgesamt größeren Dimensionierung - der Sozius hat im ggs. zu den beiden anderen viel Platz - auch standfeste Bremsen. Mit einer unserer alten Ténérés wäre es eine Schnapsidee gewesen, zu zweit darauf zu verreisen.
2. Der Rahmen ist wesentlich schwerer weil sehr viel großzügiger dimensioniert: insgesamt länger und mit höherer Wandstärke ausgestattet. Die hintere Schwinge ist im ggs. zu den Schwestermodellen kein profanes Stahlblech sondern ein wirklich edel gefertigtes aber schon wieder großzügigst dimensioniertes Aluteil. Ersatzteilpreis: 1700 €...
3. Der Motor ist wassergekühlt. Er gilt als einer der standfestesten Einzylinder überhaupt. Die XT 600 Z war zwar schon wesentlich standfester als die SR 500 die spätestens nach 40.000 km einen neuen Kolben gebraucht hat, die mit Öl unterversorgten Nockenwellen waren dann auch reif. Die 600er packte meist die 70.000 km, aber dann war zusätzlich noch ein neues Getriebe fällig.
4. Ich kann mich erinnern dass mir 1986 bei meinen Schottertouren in den Alpen an der XT 600Z insgesamt vier Speichen gebrochen sind. Gott sei Dank hatte ein Yamahahändler in Briancon Ersatz. Bei der XT 660Z nach bisher 57.000 km kein Thema. Die Speichen sind auch deutlich dicker. Wahrscheinlich ist das Material auch besser, bisher gab es noch nicht mal Bedarf nachzuspannen. Das nur als Beispiel dafür, dass an diesem Motorrad ALLES sehr solide dimensioniert wurde.
5. Schon allein an der Seitenständeraufnahme am Rahmenunterzug sieht man eine fast doppelte Wandstärke. Ich habe beide Teile Zuhause und konnte das vergleichen.
6. Die "Z" ist regelrecht gepanzert mit hochwertigen, schlagzähen Kunststoffteilen die im Falle eines Sturzes ein paar Kratzer davontragen, aber nicht brechen. Auch der 23-Liter glasfaserverstärkte Kunststofftank ist sauschwer, wahrscheinlich ist er durch einen Sturz nicht umzubringen.
7. Im ggs. zur CRF 1000 aber auch teilweise der Freewind verzichtet die "Z" auf die bei mir berüchtigten Schnapp- und Knackverbindungen der Verkleidungsteile bei denen man nie so genau weiß ob man jetzt noch ein Stück drücken muss oder ob dann etwas abbricht... dort ist alles solide verschraubt. Und das kostet einfach Gewicht. Und das nehme ich gerne in Kauf um einen reibungslosen Ablauf bei Wartungsarbeiten genießen zu können. So macht Selbstschrauben wieder Spaß.
Insgesamt kann ich bestätigen dass ich mir aufgrund der Eckdaten dieses Motorrad ganz sicher nicht als erste Präferenz für zukünftige Geländeausflüge ausgesucht hätte. Ich bin aufgrund der wirklich günstigen Gelegenheit auf sie gestoßen und bei der Probefahrt hat sie mich sofort für sich vereinnahmt: Ihre schiere Größe hat mich nach der kompakten Freewind sofort begeistert, die Ergonomie entsprach eher der großen CRF 1000. Der potente Einzylinder steckte sogar den gewiss nicht schwächlichen Eintopf der Freewind drehmomentmäßig sofort in den Sack. Die Stabilität bei hoher Geschwindigkeit ist 1a, die Wendigkeit auf kleinsten Sträßchen und Spitzkehren ebenso.
Die Geländeeignung: Die Federelemente sind von hoher Qualität, sie holen das beste aus den 210/200 mm. Das will heißen: Die Africa Twin ist mit ihren 235 mm natürlich besser, aber die Freewind ist um eine Zehnerpotenz schlechter. Und das Gewicht: es ist im Gelände nicht weg zu diskutieren. Aber mit der AT habe ich mich auf jeden Fall nochmal um 30 Kilo schwerer getan.
Fazit: Sie kann alles. Manches sehr gut, anderes nur gut. Aber ich hatte noch nie ein Motorrad mit einem so breiten Spektrum an Einsatzmöglichkeiten. Und mit 4,0 Litern Schnittverbrauch ist sie auch eine der sparsamsten.
Aber die 5-6000 € welche manche Verkäufer für ein zehn Jahre altes Modell mit 50.000 km glauben aufrufen zu können - die würde ich im Leben nicht ausgeben.