Beiträge von alfalfa

    So, ein Jahr später (so lange hat das Verfahren gedauert), teile ich euch mal das Ergebnis mit.


    Die Verhandlung war letzten Monat (an einem der heißesten Tage, was mir wahrscheinlich etwas in die Karten spielte) und das Urteil liegt mir nun schriftlich vor.


    Kurzum: Mein Anwalt hat mit dem Richter allein direkt vor der Verhandlung im Saal gesprochen und der Richter schien ein Einsehen / Verständnis zu haben.

    Die "Zeugen" von der Polizei wurden ohne ein Wort direkt entlassen (einer davon erschien übrigens demonstrativ in voller Motorradkluft mit dicken Stiefeln...) und ich selbst musst auch gar nichts sagen, außer "ja" auf die Frage, ob ich damit einverstanden bin, weil mir direkt verkündet wurde, dass die Geldbuße auf 55 € reduziert werden soll und somit auch kein Punkt erteilt wird (60 € ist die Mindestgeldbuße dafür). Die Verhandlung dauerte also keine Minute und bestand aus meinem "ja".

    Mein Anwalt wollte zwar ursprünglich, dass das Verfahren ganz eingestellt wird, aber der Richter wollte mich nicht ganz ohne Denkzettel davonkommen lassen und das akzeptiere ich auch vollkommen.

    Ich habe einen Fehler gemacht, den ich so nie wieder machen werde.


    Als Hinweis an alle:

    Da der neue Bußgeldkatalog (nur hinsichtlich der Geschwindigkeitsverstöße) entschärft wurde (für mich in dem Fall aber nicht galt, weil er zwischenzeitlich zurückgenommen wurde), achtet darauf, wie ihr euch zukünftig in solchen Situationen verhaltet, oder versucht, möglichst nicht in eine solche zu geraten!

    Der Standstreifen ist dann tatsächlich die bessere Wahl (75 € + 1 Punkt, kein Fahrverbot), oder ganz verrückt und gefährlich bei mehr als zweispurigen Autobahnen: Der Raum zwischen den anderen Fahrstreifen, der nicht Rettungsgasse ist (rechts überholen 100 € + 1 Punkt, kein Fahrverbot).


    Wenn es eine Möglichkeit mit Schatten gibt:

    Auf dem Standstreifen das Mopped abstellen, Helm runter, Jacke aus, abkühlen und danach direkt zur nächsten Abfahrt.

    Das leuchtet ein.

    Allerdings besagt § 3 Abs. 4a BKatV, dass bei Vorsatz der vorgesehene Regelsatz zu verdoppeln ist.

    Das wären für mich dann 200 und nicht 480.


    Mit der Vorsatzgeschichte muss ich aufpassen, denn es war tatsächlich mein Vorsatz, die Gasse zu befahren, um der Hitze zu entkommen. Andererseits bin ich uneinsichtig, was die "unklare Verkehrslage" angeht, denn die war ziemlich eindeutig. Stehende Autos, breite Gasse für eine schmale Enduro...

    Eine unklare Verkehrslage ist für mich z.B., wenn die Autos vor mir plötzlich alle langsamer werden und ich auf die Idee kommen würde, die einfach auf der Gegenfahrbahn zu überholen, bis ich sehe, was da vorn denn los ist (linksabbiegender Traktor in den ich dann krache, oder so).

    Das wird dann wohl ein Gericht entscheiden müssen, wenn der Einspruch nicht fruchtet.

    Handelte es sich aus Sicht des Gerichts oder der den Einspruch bearbeitenden Stelle nicht um eine unklare Verkehrslage, spielt auch der Vorsatz dann keine Rolle mehr.


    Fachanwalt in meiner Nähe ist per Mail kontaktiert.

    Ich halte euch auf dem Laufenden / berichte irgendwann vom Ergebnis.

    Wie gewünscht, gebe ich Rückmeldung.


    Kurz vor Toresschluss hatte ich heute tatsächlich einen Bußgeldbescheid im Briefkasten.

    Die Anhörung hat man sich gespart, weil die 3 Monate in ein paar Tagen um gewesen wären.


    Da es den eigentlichen Tatvorwurf "unerlaubte Benutzung einer Rettungsgasse" im aktuellen / alten Bußgeldkatalog ja nicht gibt, wird mir nun "Überholen bei unklarer Verkehrslage" vorgeworfen.

    Außerdem steht da noch "Erläuterung: Vorsatz"

    480 € Geldbuße + Gebühren und Auslagen, sowie einen Punkt soll es mich kosten.


    Vielleicht bin ich zu doof, zum Suchen, aber ich finde zu diesem Verstoß im Internet nur ein Bußgeld in Höhe von 100 € + 1 Punkt bzw. 120 € bei Gefährdung und 145 € bei Unfall.

    Die 480 € leuchten mir jetzt nicht ein. Hat jemand eine Idee?


    Bei 100 € hätte ich wahrscheinlich einfach für meinen Fehler gezahlt, um meine Ruhe zu haben, aber so gehe ich jetzt besser zum Anwalt.


    Ich weiß, dass ich was falsch gemacht habe, keine Frage.

    Aber zum einen sah ich in der Situation keinen anderen Ausweg und zum anderen finde ich es jetzt schon irgendwie einfältig, den Tatvorwurf derart umzumünzen.

    Die Verkehrslage war alles andere als unklar. Kilometerlang standen Autos, die eine so große Gasse gebildet hatten, dass ein PKW vor mir sie befahren konnte, was ich aus meiner erhöhten Position auf der Enduro besonders gut sehen konnte.

    Also wenn es um den Bußgeldkatalog (BKat) selbst geht, so ist dieser ein Bestandteil der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV).

    Nach meinem Verständnis ist die Verordnung selbst weiterhin in Kraft, der Bußgeldkatalog als Teil dieser wurde zugunsten des bisherigen jedoch von den meisten Bundesländern außer Kraft gesetzt.

    Sollten der Inhalt bzw. Bestandteile der Verordnung (wie der BKat) nun geändert werden, muss der Bundesrat der geänderten Verordnung wieder zustimmen (Schlussformel).

    Das ist wahrscheinlich das, was bwm meint.

    Herr Scheuer höchstpersönlich hat die Länder aufgefordert, wieder den alten Bußgeldkatalog anzuwenden.


    Auch andere Länder wie Bayern, SH, HH, MV, NDS, RPf und Sachsen haben schon am letzten Freitag diesen Schritt getan.


    Bis der Formfehler korrigiert ist, werden alle Verfahren nach altem Recht behandelt.

    In Brandenburg werden sogar bereits ergangene Bescheide korrigiert.

    In erster Linie diente mein Beitrag als Warnung davor, denselben Fehler wie ich zu begehen.

    Das ist bei einigen auch so angekommen.


    Und ja - tatsächlich wusste ich mir in der Situation nicht anders zu helfen.

    Und ja - ich habe kein Interesse daran, plötzlich so hart für etwas bestraft zu werden, für das vorher (und jetzt wieder) gar nicht so eine Strafe vorgesehen war / ist.

    Die Polizei sah im heutigen Stau übrigens ohne Handeln von der rechten Spur aus zu, wie sich die Moppedfahrer durch die Gasse schlängelten.


    Ich saß brav in meiner Dose am Rand der linken Spur und war froh, dass diese Menschen nicht auch in Dosen saßen und den Stau verlängerten, sondern eben auf ihren Moppeds, am Stau vorbeifahrend... Auch wenn heute keine Hitze war, sehe ich die alle nicht als böse Verbrecher, denen der Führerschein weggenommen werden sollte, was sie ja gerade auch nicht mehr sind, so lange der alte Bußgeldkatalog wieder gilt.

    Ja, da schreibt er das zum Thema "Vorbeifahren".


    Auto steht auf dem linken Fahrstreifen, du fährst auf dem Fahrstreifen rechts davon (egal ob Gasse oder nicht) dran vorbei. Wäre nach dieser Definition dann kein Überholen, sondern Vorbeifahren.

    Panne?


    Dann irre ich halt, wenn es ein Überholvorgang sein soll, an stehenden Fahrzeugen vorbeizufahren und es ist ein Überholvorgang.

    Dieser ist innerorts auf mehrspurigen Straßen mit markierten Fahrstreifen jedoch erlaubt.

    Abgesehen davon ist es bei Stau und zähfließendem Verkehr ebenso erlaubt, rechts zu überholen, sofern links nicht mehr als 60 gefahren wird und man selbst nicht mehr als 20 km/h schneller als der links ist.

    Das ist keine Meinung, sondern Fakt.

    Bis jetzt habe ich noch keine Post bekommen, aber ist ja auch noch nicht so lange her.


    Wie ihr vielleicht mitbekommen habt, hat auch Berlin kürzlich den zuletzt am 28.04.2020 geänderten Bußgeldkatalog außer Kraft gesetzt und wendet für alle künftigen und laufenden Verfahren wieder bisheriges Recht an.


    Somit dürfte ich höchstens noch mit 30 € für "rechts überholt innerorts" rechnen, wobei ich selbst das für unwahrscheinlich halte, weil innerorts rechts überholen bei mehreren markierten Fahrstreifen pro Richtung gestattet ist.

    Das würde ich dennoch anstandslos bezahlen, um Ruhe zu haben, auch wenn selbst das für mich unverständlich wäre, weil man an stehenden Fahrzeug ja eher vorbei fährt, als sie zu überholen.


    Ich rechne jetzt eigentlich nicht mehr Post, aber falls doch was kommt, schreibe ich hier.


    Also Leute: Momentan ist Fahren auf dem Standstreifen wieder die schlechtere Wahl, um einem Hitzekollaps zu entkommen.

    Klar, nach der Arbeit einfach stehen lassen und zusehen, wie man die 20 km nach Hause kommt (OK, als Fußgänger wahrscheinlich etwas kürzer).

    Mit dem Corona-Express fahre ich sicherlich nicht.

    Außerdem musste ich das Möppi meinem Vater zurückgeben und mein Auto aus der Werkstatt abholen.


    Aber ja - bei Fahrtantritt wusste ich nicht, dass ich in so einen extremen Stau geraten werde und dann eine gefühlte Ewigkeit in der prallen Sonne verbringen werde, ohne dem entkommen zu können.


    Auto ohne Klima - hast du darin auch Motorradbekleidung an und einen Helm auf, oder spendet dir dein Dach Schatten, während geöffnete Fenster und aufgedrehte Lüftung deinen Schweiß auf der Haut durch Verdunstung kühlen?

    Das hast du auf dem Motorrad nicht, du stehst da einfach nur und wirst von innen nass und kriegst ne Macke.

    Mit dem Auto kommst du auch gar nicht durch die Gasse ohne Blaulicht und Horn, weil die sich hinter dem Einsatzfahrzeug wie ein sich bewegender Reißverschluss schneller wieder verengt, als du mit deinem Auto in die Gasse kommen würdest.


    Ja, es war blöd, dass ich das gemacht habe, wird aber nie wieder passieren, weil ich entweder im Auto sitze, oder mit dem Zweirad auf dem Standstreifen fahre, sollte ich noch einmal in so eine Situation geraten.


    Sofern es zu einem Richterspruch kommt, der von der vorgesehenen Strafe abweicht, wird das eine Einzelfallentscheidung sein und keinen bindenden Charakter haben. Ich renne doch nicht gleich zum BGH.

    Wie der Richter entscheidet und ob er dabei berücksichtigt, dass ich im Punkteregister seit Jahren völlig unbescholten bin, wird sich zeigen.

    Erfolgsaussichten und Kostenübernahme durch RV werden vorab natürlich über den Anwalt geklärt.


    Das Polizeiauto fuhr nach der Aktion übrigens wieder mit Blaulicht und Horn zurück auf die Autobahn.

    Also entweder setzten sie den Einsatz fort, hatten einen neuen Einsatz oder gar keinen.

    Ein Anwalt kann das hinterfragen, ein Richter in Erfahrung bringen und dann wird sich vielleicht zeigen, ob ich der einzige war, der die Gasse unrechtmäßig benutzt hat.

    Vielleicht tut sich bis zum Abschluss des Verfahrens auch noch was dahingehend, dass der stark kritisierte Bußgeldkatalog zunächst zurückgenommen wird.


    Ganz ehrlich - die Verschärfung der Strafen war dazu gedacht, dass die Autofahrer endlich einsehen, bei stockendem oder gar stehdendem Verkehr sofort eine Gasse zu bilden und nicht erst, wenn von hinten Tatütata kommt und das finde ich auch richtig so.

    Es war sicherlich nicht die vorrangige Absicht, Motorradfahrer zu bestrafen, die die Gasse zur Flucht aus der Hitze nutzen.


    Ich halte euch auf dem Laufenden, wenn Post kommt.