Honda CB 650 R - Wuthocker mit E-Clutch

  • #1

    Ich habe gestern meine AT in die Werkstatt gebracht und bekam eine Honda CB 650 R als Ersatzfahrzeug. Das Gerät hatte E-Clutch, und ich dachte, ich schreib' mal, wie sich das Ding fährt und anfühlt:



    Erster Eindruck: Die ist ja niedlich! Gemessen an meiner AT ist das ein Klein-Kraftrad. Kurz, niedrig, mit 207 kg viel leichter - und etwa zehn Zentimeter weniger Sitzhöhe. Nach dem Aufsteigen die Ernüchterung: Für Zweimetermänner ist die CB 650 R nicht gemacht, ich hocke drauf wie ein Affe auf dem Schleifstein. Meine langen Beine einfalten und die Füße auf die hohen Rasten bringen wird zur Challenge.


    Der Motor läuft, mein Händler erklärt mir kurz die E-Clutch, "Ich kann sie dir aber auch deaktivieren, wenn du willst". Ich will nicht, also los.



    Zum Starten muss man den Leerlauf einlegen. Im Gegensatz zu DCT ist bei der E-Clutch die Kupplung bei stehendem Motor geschlossen. Läuft der Motor, geht die Maschine automatisch in den E-Clutch-Modus, zu erkennen an einem kleinen grünen Symbol rechts vom TFT-Display. Im Gegensatz zum DCT braucht E-Clutch auch keine Feststellbremse: 1. Gang einlegen, Motor aus und nix rollt mehr.


    Jetzt den ersten Gang rein, die Maschine ruckt einmal dezent zur Bestätigung, Gas geben und los. Der Weg an Gasgriff, bis das Gas reagiert und die Kupplung greift, ist verglichen mit der AT mit DCT ziemlich lang. Da, wo die AT zu wenig Spiel hat, hat die CB zu viel. Ansonsten arbeitet die Kupplung beim Anfahren unspektakulär und unauffällig.



    Rollt die Fuhre erst mal, ist die weitere Bedienung simpel: Zum Hochschalten den Hebel nach oben, zum Runterschalten den Hebel nach unten treten. Meine Beobachtungen des Schaltgefühls leiden etwas unter dem wirklich extremen Knkewinkel. Auch meine Fußhaltung ist jenseits von gut und böse.


    Honda empfiehlt, beim Hochschalten das Gas stehen zu lassen, das klappt wie ein guter Quickshifter. Die Gangwechsel sind deutlich zu spüren, etwas härter als beim DCT, etwas weniger trocken als bei einem Quickshifter ohne Kupplung. Beim Runterschalten kann man das Gas stehen lassen oder nicht, je nachdem, ob man Drehzahl will oder nicht. Das klappt völlig astrein. Wer - vom DCT verwöhnt - vergisst beim Stehenbleiben in den ersten Gang zu schalten, kann die Gänge im Stand runtersteppen. E-Clutch ist nur eine Kupplung. Schalten muss der Fahrer.


    Zwei, dreimal habe ich Schaltfehler: Ich beschleunige, habe irgendwelche 7.000 Touren drauf, will vom zweiten in den dritten Gang, und der Zweite bleibt drin. Liegt vielleicht an meiner komischen Fußhaltung, müsste man mal beobachten. Was ich nicht getestet habe: Man kann während der Fahrt am Kupplungshebel ziehen, dann schaltet sich E-Clutch ab und man hat eine manuelle Kupplung. Angeblich merkt das System, wenn man eine Weile nicht mehr am Hebel gezogen hat, dann aktiviert sie wieder E-Clutch.



    Und wie fährt sie sonst so? Der Vierzylinder läuft - verglichen zum Twin der AT - wie ein Elektromotor. Der 650er leistet 96 PS, exakt so viel, dass die Kiste noch A2-tauglich zu machen ist. Nur ein paar PS weniger als die AT, aber 40 Kilo weniger Gewicht, da müsste der Wut-Hocker ja gehen wie eine Rakete. Tut er auch, aber nur dann, wenn man ihn dreht wie verrückt. Dabei kann man mit der CB 650 R problemlos sehr niedrigtourig fahren. Mit 60 auf dem Tacho und im 6. Gang liegen rund 2.500 Touren an. Damit kann man problemlos und ruckfrei durch einen Ort fahren. Klar, wen man dann den Hahn aufmacht, wird die Maschine schneller, recht viel mehr passiert da nicht. Wenn man so was wie Druck beim Überholen verspüren will, sollten die Drehzahlen schon über 5.000 liegen. Das maximale Drehmoment liegt bei 69 Nm, da fühlt sich die AT schon deutlich mächtiger an. Und ab ca. 6.000 Touren merkt man Vibrationen am Allerwertesten.


    Zum Fahrwerk kann ich nicht so viel sagen, ein Roadster ist halt viel straffer als eine Enduro. Auffällig ist allerdings, dass die AT wendiger zu sei scheint als das kleine Ding, auch der Lenkeinschlag beim Rangieren ist größer. Faszinierend fand ich, wie wenig Motorrad man vor der Nase hat, wenn man auf der CB 650R sitzt. Um das TFT zu sehen, muss man schon recht weit runtergucken. Wenn man sich dann noch Lenkerendspiegel dranmacht, sieht man beim Fahren vom Mopped nichts mehr.


    Meine Prognose: Wenn Honda die Transalp mit E-Clutch bringen würde, würde das ein großer Erfolg.


    Würde ich mir die CB 650 R kaufen? Nie im Leben. Als ich sie heute zurückgebracht und meine AT nach hause gefahren habe, war das wie eine Erholung. Obwohl es geregnet hat wie die Sau.

  • #2

    Das kann ich nachvollziehen. Ich hatte mir ja zu Pandemiezeiten eine gebrauchte MT09 als Alternative gekauft, die sicherlich noch einiges aggressiver daher kommt und motorseitig wirklich Spass macht. Da habe ich gelernt, dass ich Fahrwerk und Sitzposition einer Reiseenduro nicht mehr missen möchte. Mit der MT mache ich im Schwarzwald einen Bogen um so manche kleine Straße, die mir mit der AT oder KTM besonders gefiel.


    MT09 zu verkaufen.

  • #3

    Danke für deinen Bericht. Klingt für mich aber fast so, als ob du noch nie ein Naked Bike gefahren bist. Was sind deine bisherigen Motorräder vor der AT?


    Eine wichtige Frage von Riese zu Riese: Hat die E-Clutch irgendwie am rechten Schienbein gestört?


    Grüße

    MZ RT 125 00  //  CBR 600 F (PC31) 98 // CB 600 F (PC36) 02 // ATAS 1100 (SD09) 22 // Monkey 125 (JB03) 24 // Tenere 700 (DM15) 24

  • #5

    Das kommt ganz drauf an, wie frei du deinen Kopf bekommst...


    Solange du eine drehmoment-orientierte Fahrweise an den Tag legst und deine AT bei zügiger Fahrt nicht zwischen 6000 - 9000 RPM fährst bis du mit dem narrensicheren DCT blendet bedient.


    Wenn du dich persönlich aber auf eine PS-orientierte Fahrweise einlässt, dann brauchst du kein DCT mehr sondern geniest außerhalb von geschlossenen Ortschaften (und vielleicht auch auf Strecken außerhalb des Wochenend-Mainstreams) pures Motorradfahren. Du darfst keine Scheu haben den Motor auszuquetschen und zu probieren bei welcher Drehzahl der Drehzahlbegrenzer dem treiben ein Ende setzt. Aber dann kaufst du auch kein Motorrad wie die AT... oder man braucht halt mehrere....


    Ich hatte früher mal eine Crosstourer DCT und eine CBR600RR mit Quickshifter - glaub mir mit beiden hat man richtig viel Spaß obwohl die Fahrzeuge total gegensätzlich sind.


    Aber man muss es wollen....

  • #6

    Muss man beim Anfahren eigentlich dann noch „schleifen lassen“ oder macht das die e-clutch auch?

    Frag mich grad, wieso Honda beides entwickelt hat und bei Yamaha hab ich heut gesehen, dass die jetzt auch was mit Schaltwippen am Lenker haben und eine Art elektronische Kupplung.

  • #7

    E-Clutch kostet einen Bruchteil des DCT, wiegt einen Bruchteil des DCT, braucht nur einen Bruchteil des Platzes und kann damit auf vielmehr Fahrzeuge adaptiert werden....

    Du kannst einfach mit Gas geben losfahren


    Und bei Yamaha hast du vermutlich das hier gesehen https://www.yamaha-motor.eu/de/de/motorcycles/y-amt/ - damit hat man dann alle Nachteile eines herkömmlichen Getriebes (Schalten unter Last) mit den Vorteilen einer automatisierten Betätigung gekoppelt....

  • #8

    Ich versuche mal, auf ein paar Punkte einzugehen.


    Nein, ich habe noch nie ein Naked Bike besessen. Ich habe auch noch keins gefunden, auf dem ich gut sitzen könnte. Angeblich wäre die Triumph Scrambler 1200 XE was für mich. Was mir an Naked Bikes sehr gefällt, sind die wenigen Windgeräusche am Helm und die gute Sicht. Allerdings will ich durchaus lieber ein großes als ein kompaktes Motorrad.


    Womit ich auch sehr wenig Erfahrung habe, das sind hoch drehende Vierzylinder. Ich kenne den Spruch "Es gibt Einzylinder, Zweizylinder, Dreizylinder und Zuvielzylinder". Ich habe auch nicht den Eindruck, dass so eine Drehorgel auf Dauer meine Sache sein könnte. Was ich - auch angesichts des überschaubaren Hubraums der CB 650 R - erstaunlich fand, war ihre Elastizität. Ansonsten mag ich das Geschrei nicht, und mir gefällt niedrigfrequentes Pulsieren besser als hochfrequentes Vibrieren.


    Das E-Clutch halte ich insgesamt für sehr gelungen. Hätte meine AT so was, käme ich damit wunderbar klar. Natürlich, an so Sachen wie automatisches Runterschalten bis in den 1. Gang vorm Stehenbleiben, wie es mein DCT kann, kann man sich schnell gewöhnen, aber das könnte ich mir auch schnell wieder abgewöhnen. Zumal auch Runterschalten mit E-Clutch völlig mühelos geht. Meines Wissens berechnet Honda für einen Quickshifter 450 Euro, für E-Clutch sind es 600 Euro. Da wüsste ich, was ich kaufen würde. Natürlich, DCT kann komplett automatisch schalten, das ist toll, aber auch darauf könnte ich verzichten. Ich fahre jetzt seit 19 Jahren Motorrad, davon 17 Jahre ohne Automatik. Ich ertappe mich dabei, wie ich beim engagierten Angasen auf kurvigen Landstraßen immer häufiger das DCT auf Manuell stelle und die Gänge selber wechsle.


    Was das Anfahren angeht, hatte ich nicht den Eindruck, dass man auf die Kupplung besonders Rücksicht nehmen muss. Man macht einfach das Gas auf und die Karre zieht los. Störend fand ich allerdings den langen Leerweg am Gasgriff, becor der Motor ansprach. Es war irgendwie nicht so ganz einfach, mit dem Gasgriff z.B. sauber durch einen Kreisel zu fahren.


    Es kam die Frage, ob ich die E-Clutch-Steuereinheit an der rechten Wade störend wahrgenommen habe. Ehrlich, ich habe auf der Karre dermaßen unmöglich gesessen, da habe ich das jetzt nicht noch separat gemerkt;-)

  • #9

    Man muss aufpassen auch im richtigen Gang anzufahren. Die E-Clutch ermöglicht auch das Anfahren in höheren Gängen, aber dann grillt man die Kupplung auf Dauer. So wie es bei normaler Schaltung auch wäre, wenn man im 3., 4. anfahren würde.


    Sampleman

    Tip für Naked und große Leute: Kawa Z900RS (nicht die normale Z900!)

    MZ RT 125 00  //  CBR 600 F (PC31) 98 // CB 600 F (PC36) 02 // ATAS 1100 (SD09) 22 // Monkey 125 (JB03) 24 // Tenere 700 (DM15) 24

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