Moin,
die Tage hatte ich meine ATAS vor der Garage abgestellt, etwas abschüssiger Untergrund, dazu noch ein paar Millimeter von der Seitenständerverbreiterung - dann ein heftiger Windstoß und die Kiste kippte um (auf die rechte Seite). Der Fall wurde durch den TT-Koffer gemildert. Außen war fast nichts zu sehen, die Deformierung fand im Bereich der inneren vorderen Kofferecke statt - stark eingedrückt und der Aufnahmewinkel, der auf der Kofferträgerunterkante aufliegt, war auch ziemlich verbogen. Aber nichts, was nicht durch ein paar Hammerschläge von innen wieder gerichtet werden konnte (Funktion gänzlich und Optik "so gut wie" unbeeinträchtigt).
Dieses Geschehen sowie ein paar Male, wo ich mit dem Fuß/Unterschenkel etwas blöd zwischen Untergrund und Koffer geraten bin (ohne schwerwiegende Folgen), hat mich mal über das Thema "Weichgepäck" nachdenken lassen.
Nach einigem Suchen und Vergleichen bin ich bei den "MotoBags" der Firma Lone Rider hängengeblieben. Die ausführliche Beschreibung - auch durch einige Videos - überzeugten mich, ich zauderte lediglich wegen dem Preis und auch grundsätzlich, da mir das Handling mit Koffern doch einfacher vorkam. Trotzdem habe ich sie dann mal bestellt.
Zunächst: Die "Geschäftsanbahnung" war äußerst freundlich und professionell. "Anna", die auf deren Seite als vielsprachig vorgestellt wurde, meldete sich umgehend auf Deutsch und bot sich an, behilflich zu sein. Sie wies mich auf eine günstigere Volumenkombination hin, fragte die Montagevoraussetzungen an meinen Bikes ab etc. Ich bestellte dann die 38/31-Liter-Kombination (es gab wohl mal noch größere, die aber wohl nicht mehr angeboten werden).
Ich konnte nirgendwo den Firmensitz ausfindig machen, letztlich kam die Sendung aus China mit dem Umweg über GB - Anlieferung hier per DPD ohne irgendwelche Zoll- oder Einfuhrumsatzsteuergeschichten (dazu portofrei).
Das Ganze dauerte etwa 10 Tage.
Der professionelle Eindruck setzte sich fort: vorbildlich verpackt, alle Schnallen etc. extra umwickelt (nicht nötig, zeugt aber von Sorgfalt), Ersatzschrauben und sogar (bei jeder Tasche extra) ein recht solider kombinierter 10er-Maul-/Ringratschenschlüssel.
Die Taschen sind ja "semi-rigid", also beschichtetes Textil, das versteift wird - außen durch Kunststoffkanten etc. und innen durch ein flexibles "Kunststoffblech", das etwas vorgeformt ist und das durch solides Klettband innen fixiert wird. Sobald das eingesetzt ist, wirken die Taschen fast wie Koffer.
Einzig mit diesen Einsätzen hatte ich ein Problem: Sie waren in der falschen Richtung vorgeformt, so dass beim Klett Flausch auf Flausch und Haken auf Haken zu liegen kam. Das Material ist so steif, dass ein einfaches Umdrehen nicht möglich war, ich musste mit der Heißluftpistole nachhelfen.
(Wenn man diese Einlagen wieder entfernt, können die Taschen flachgedrückt und so fixiert werden, dass sie kaum auftragen.)
Die Taschen sind sehr sorgfältig und aufwändig verarbeitet, viele Schnallen und Laschen, um weiteres Gepäck und Ausrüstungsteile zu befestigen.
Gewöhnungsbedürftig und sicher objektiv umständlicher - wenn man Koffer gewohnt ist - ist der Verschlussmechnismus. Im Prinzip das, was man etwa von den Ortlieb-Produkten kennt - ein Rollverschluss, dessen Enden nach dem Aufrollen mittels eines Schnallenpaares fixiert werden. Nach dem Rollen werden jedoch zunächst zwei Alu-Laschen zusammengefügt, die dann die Basis für das Anbringen eines Schlosses darstellen (Schlösser liegen auch bei).
Das derzeitige Video zu Zusammenbau und Montage ist an der Stelle nicht aktuell: Im Video müssen die Aluteile per Hand so übereinander gelegt und gehalten werden, dass die beiden Bohrungen, durch die das Schloss gezogen wird, fluchten. Bei der neueren Version ist eine Modifikation vorgenommen worden, die dafür sorgt, dass die Aluteile auch alleine zusammenhalten und die Tasche auch ohne Schloss zu bleibt.
Als etwas "etikettenschwindelig" empfinde ich sie Aussage, dass die Taschen "100%" wasserdicht sind. Mal abgesehen von den 100%: Die eigentlichen Taschen haben unten je zwei etwa "Leitz-Locher"-große Löcher - wohl zum Entweichen der Luft beim Schließen des Rollverschlusses. Kann also per se nicht wasserdicht sein. Wasserdichtigkeit wird erst erreicht, wenn man die beiliegenden, passenden, in knallrot gehaltenen Innentaschen benutzt. Und das ist für mich eben die Falschaussage. Wenn ich mein Transportgut in Vakuumtüten einschweiße, bekomme ich auch einen Weidenkorb "wasserdicht" ... Die Taschen auf diese vorgesehene Art und Weise zu nutzen (also mit den Innentaschen, die auch eine gehörige Tiefe haben und zugerollt werden), ist für mich ein weiteres Manko, denn immer alles Zeugs in zwei große Beutel, zum Rauskramen alles ausschütten oder in der Tiefe wühlen - das geht in der Praxis gar nicht.
Ist für mich aber auch nicht sooo schlimm. Zu 100% wasserdichte Koffer hatte ich bislang auch noch nie. Bis auf besagte Entlüftungslöcher scheinen die Bags ziemlich dicht und auch sehr robust zu sein (eines der Videos zeigt, wie jemand die Taschen heftig mit einem Schraubendreher malträtiert).
Ich halte es bislang meist so, dass ich im linken, größeren Koffer eine ziemlich genau passende TT-Innentasche für Kleidung verwende. Diese passt auch - obwohl die MotoBag etwas kleiner ist - in die 38-Liter-Bag. Den immer schon kleineren Koffer rechts bestücke ich zum Großteil mit kleineren Taschen (der Übersichtlichkeit halber bevorzuge ich diese schwarzen ABUS-Schlosstaschen, auf die man gut Kabelzeugs, Ladegeräte, Ersatzbrille etc. verteilen kann). Die passen weiterhin in die kleine Tasche. Wasserdurchfahrten hatte ich bislang nicht auf der Liste - wenn das je geplant wäre, müsste man das eben berücksichtigen.
Fest an der Innenseite der Taschen montiert ist eine Trägerplatte. Die ist vielfältig mit Langlöchern versehen, in welche die jeweils vier Montageschellen eingeführt und fixiert werden (für 18-mm-Rohrträger dimensioniert). Ich kann mir keine Konstellation vorstellen, wo man die Taschen nicht montiert bekommen könnte. Selbst für Träger, die sich so um den AUSPUFF [Artikel in der Knowledge-Base] schmiegen, sind entsprechende Ausgleichswinkel beigelegt.
Durch die Vielzahl von Befestigungsschlitzen ist auch eine breite Spanne von Variationsmöglichkeiten bei der individuellen Montage am eigenen Bike gegeben (Höhe, Neigung, mehr nach vorne oder nach hinten). Die Konstruktion lässt auch einen relativ einfachen Wechsel zwischen verschiedenen Bikes zu - etwa an meiner alten RD07 genauso wie an der neuen ATAS.
Ich habe die Taschen noch nicht montiert, die Garage ist mir derzeit zu nass und kalt.
Die Taschen wiegen - ohne Innentaschen, aber mit der Montageplatte - 5,5 bzw. 5,8 kg.
Grund für die Besinnung auf Soft-Gepäck war ja vor allem die Verletzungsgefahr. Die scheint mir damit von dieser Seite aus gebannt zu sein. Ich denke auch, dass ein etwas heftigerer Umfaller mit den Softbags glimpflicher im Blick auf die Deformation von Träger oder sogar Rahmenheck ausfallen könnte (ich war überrascht, welche Delle der o.g. Umfaller aus dem Stand verursacht hat).
An das etwas fummeligere Handling muss man sich halt gewöhnen. - Abgesehen von diesen Einschränkungen scheinen die MotoBags wohl so ziemlich das Beste zu sein, was man sich im Blick auf Gepäck leisten kann.
Wenn mal richtige Praxiserfahrungen vorliegen, äußere ich mich nochmal.
Link: https://www.lonerider-motorcycle.de/products/motobags
Dort sind auch die besagten Videos zu finden.
Detlev