Technologiefeindlichkeit als Tugend?

  • #1

    Wir hatten es in einem anderen Thread, in den es nicht hingehört, deshalb greife ich es nochmal auf:


    Also, es ging darum, dass sich jemand ein neues Reifendruckkontrollsystem (TPMS) gekauft hatte, und zwar das FoBo Bike 2. TPMS zum Nachrüsten gibt es wie Sand am Meer. Üblicherweise gibt es dazu ein Extra-Anzeigedisplay, das man sich an den Lenker schraubt. Bei besagtem FoBo Bike 2 läuft es anders, die Sensoren kommunizieren mit einer iPhone-App, die Anzeige der Werte erfolgt also auf dem Smartphone. Wenn man auf dem Display der Honda CRF1100L Apple CarPlay benutzt, kann man sich die Werte auch auf dem Touchscreen anzeigen lassen. Ich merkte noch an, dass man, wenn man eine Apple Watch hat, seinen Luftdruck auch auf der Armbanduhr ablesen kann.


    Und dann ging es los: Poster meinten, sie würden sich bei der Feststellung ihres Luftdrucks lieber auf ihr Popometer verlassen, einer schlug vor, er könne auf einer Apple Watch ja auch sein WC spülen, wenn er das vor der Abfahrt vergessen habe.


    Das ist ja kein Einzelfall: Sobald man unter Motorradfahrern neue Technik, am besten solche mit Elektronik diskutiert, melden sich viele, die so was in Bausch und Bogen ablehnen. Sie regen sich darüber auf, dass sie erst die Bedienungsanleitung durcharbeiten müssen, weil sie sonst nicht wissen, wie die Heizgriffe an gehen. Und bei elektronischen Fahrhilfen scheint nur ein Interesse zu bestehen: Wie man sie ausschaltet, am besten dauerhaft.


    Ich frage mich dabei zweierlei:


    1. Warum ist das so? Warum scheinen so viele Motorradfahrer Wert drauf zu legen, moderner Technik ablehnend gegenüber zu stehen und dies zu betonen? Dabei erscheinen zum Beispiel im AT-Stammtisch, bei dem ich einmal im Monat zu Gast bin, die Leute moderner Technik gegenüber nicht abgeneigt. Die meisten tragen eine Smartwatch, modernste Smartphones sind eher die Regel als die Ausnahme.


    2. Ich nehme die aktuelle AT als High-Tech-Mopped wahr: Apple Car Play, 6-Achs-IMU, Wheelie-Control, wisst ihr alles. Wieso geben Leute einen Haufen Geld aus für ein Mopped, das bis zur Halskrause vollgestopft ist mit Gimmicks, die sie alle für überflüssig halten und ablehenen? Ich meine, für 17 bis 20 Riesen könnte man doch auch eine Africa Twin von 1990 komplett durchrenovieren, die hat das alles nicht.


    Wie seht ihr das?

  • #3

    Nicht alle können diese Elektronik Lawine bewältigen. Schön, wenn elektronische Helfer im Hintergrund einfach mitlaufen, aber wenn man ständig irgendwas koppeln, bestätigen, unterbrechen, Passwörter eingeben oder sonst wie integrieren muss, wird es irgendwann zu viel. Es ist ja nicht per se schlecht, aber inzwischen muss jeder täglich irgendetwas ins Smartphone tippen, am PC arbeiten, Accounts verknüpfen usw.

    Und dann will man abends einfach entspannt Motorrad fahren und wieder geht der elektronische Schnickschnack los:

    „Hey, bitte bestätigen!“,

    „Hey, du hast vergessen, mich zu verbinden!“,

    „Hallo! Hier bin ich, dein ApplePuppleSmartNanoCarplay! Hast du mich etwa vergessen?“ ja, manchmal nervt das einfach.

  • #4

    Vorweg:

    Gute Fragestellung!


    Ich merke an:

    Wie alt ist der CRF 1100 Fahrer im Schnitt?

    Ist er mit Smartwatch,KI,etc. aufgewachsen?



    Meine ehemalige F 800 R von vor über 10 Jahreh hatte eine Reifendruckanzeige;

    warum soll ich heute eine App haben,wenn Honda dazu nicht in der Lage ist solch ein wirklich einfaches Feature einzubauen;oder warum hatte die XL 750 Transalp bis zu diesem Jahr keine Temperaturanzeige?


    Und ja,auch ich merke 0,3 bar Unterschied am Vorderrad.


    Das hat nichts mit Technolgiefeindlichkeit der Nutzer zu tun;sondern mit einer verfehlten Modellpolitik,die man dann selber ergänzen soll..


    Und wer will behaupten,daß ein Digitaldisplay schöner ist als ein Zeigerinstrument?

    Ob es besser ist?

    Die Instrumente meiner Monster 1100 S konnte ich ohne Brille irgendwann nicht mehr ablesen..


    Das ich die linke Armatur meiner CRF mittels Simulator erlernen durfte ,ist einfach ein Armutszeugnis von Honda.

    Komplizierter geht es zu Anfang kaum...dann allerdings ist es irgendwann selbstverständlich.

    Und ich hatte auch weder Lust noch Zeit dazu das ganze mittels der Bedienungsanleitung zu erlernen.


    Und :

    Bekommst du eine aktuelle CRF 1100 ohne diese Technik?


    Traktionskontrolle und Kurven ABS sind klasse;ob ich eine Wheelie Control brauche?

    Bei einer Probefahrt mit der aktuellen Fireblade ja!

    Geil,mit dem Vorderrad cm über dem Asphalt zu beschleunigen.



    Ich bin der Meinung,daß sich die Welt weiter dreht,aber

    wenn Jemand sein Alteisen,ob Auto,Uhr,Trecker etc. liebt oder sich gar eine selbsterklärende Bedienung einer aktuellen Maschine wünscht,hat das doch nichts mit Technologiefeindlichkeit zu tun.

    Es ist entweder ein Hort vor dem Unbill einer schnellebigen und unbeständigen Zeit oder eben die Forderung nach einer einfachen Bedienung der vorhandenen Elektronik.


    Technologiefeindlichkeit ist, genauso wie Technologie unkritisch zu betrachten, in meinen Augen keine Tugend.


    Technologie "offenheit" hat für mich,wenn überhaupt, mehr mit dem Begriff " Tugend" zu tun.



    Soviel mein Senf zu einem komplexen und sehr individuellem Thema.


    Gruß





    Ich habe eine 94 iger XRV 750 gehabt...

    Glaub mir,das wird keiner machen.

    Aber es ist möglich.


    Ob das in 35 Jahren bei einer CRF 1100 möglich sein wird,wage ich zu bezweifeln.

    Einmal editiert, zuletzt von Grommi ()

  • #5

    Ich glaube ja nicht, daß man hier eine Art Patentlösung / Universalantwort bekommen wird. Dazu ist die Einstellung zu neuen, alten, zukunftsweisenden, veralteten, etc. Technologien einfach zu individuell. Zumal auch niemand nur in eine ausschließliche Richtung orientiert ist. Ob bewußt oder unbewußt, hängt eine Affinität zu bzw. Ablehnung gewisser technischer Entwicklungen von viel mehr Faktoren ab, als daß diese hier im Detail seziert werden könnten.

    Was haben vor Jahren die Hardliner über ABS gezetert. Wenn wir jedoch ehrlich sind, möchte wohl kaum noch jemand auf diese Technologie verzichten.

    Was haben wir uns über die ersten Mobiltelefone in Kofferform lustig gemacht und als eine snobistische Spinnerei abgetan, so springt kaum noch Jemand ohne Mobiltelefon durch die Gegend.

    Ich brauche bei Gott nicht jede neue Errungenschaft, die mir heutzutage verfügbar gemacht / angeboten wird. Auf der anderen Seite möchte ich auf andere Errungenschaften ganz sicher nicht mehr verzichten müssen. So würde ich diese Zeilen, ohne den technologischen Fortschritt in der Medizin, nicht verfassen können.

    Was ich oft nicht nachvollziehen kann ist die Tatsache, daß sich manche Leute, sofort von der Technik / Elektronik besonders in Fahrzeugen „bevormundet“ fühlen. Viele dieser Dinge lassen sich durchaus ausschalten, so man sie nicht nutzen möchte. Oder sie greifen garnicht ein, solange man seine Fahrweise in einem „normalen“ Bereich hält. Wer nicht ständig wie verrückt am Gashahn reißt, wird wohl kaum über das Eingreifen der Traktionskontrolle jammern.

    Ja auch ich kenne durchaus Bedienungskonzepte, bei denen ich die Überlegungen der Entwickler dahinter nicht nachvollziehen kann und einen zur Verzweiflung bringen können. Doch selbst hier habe ich immer noch die Wahl, ob ich dazu bereit bin mich damit bestmöglich zu arrangieren, oder ob ich einfach gänzlich darauf verzichte, weil ich partout nicht damit Leben möchte. It‘s still your choice: „Take it or leave it!“

    Ist zumindest meine ganz persönliche Meinung :twocents-mytwocents:


    Grüße aus dem wilden Süden,

    Allgeier72

  • #6

    Jeder von uns kann ein normales Mopped fahren und auch jeder von uns kann ein Mopped für extra viel Technik für den Fahrer fahren. (Denn unterhalb des Tanks gibts eh genug Technik)


    Die meisten von uns sind ja eigentlich schon Stolz auf die erworbene Technik. Auch auf die an unseren Fahrzeugen und Moppeds.


    Leider sind viele neue Techniken von zwei Sachen betroffen:


    1. Bugs & Defekten

    2. schlechte Bedien- & Verwendbarkeit mit unnötiger Komplexität

    3. sehr hohe Kosten bei Defekt


    Und ein nicht funktionierendes Menü oder eine Technik die 5x repariert werden muss, bringt auch des geduldigsten Mopped Besitzer an den Rande des Wahnsinns.


    Zudem brauchen viele von uns die meistens Features nie. Zum Beispiel eine Wheele Kontrolle.

    Ich kenne Leute die außer dem Tempomat und der Sitzheizung nach 3-Jahren Geschäftsleasing nichts von einem bis an die Zähne ausgestatteten Audi A6 benutzt haben.


    In manchen Situationen ist Technik tatsächlich eine Unterstützung und kann uns unterstützen. Nicht zuletzt, weil es manchmal das Fahren auch wirklich besser macht. Ein Auto mit Allrad und ESP kann aber jeder Trottel im Schnee fahren. Aber einen Opel Record B musste man schon mit Kunst und Spucke den Berg rauf im Schnee dirigieren, damit man nicht seitlich in die Autos oder Mülltonnen rutschte. Manch einer mag daher denken, dass ohne Helferlein es noch wahres Können war, was einen selbst natürlich unweigerlich stolz macht.


    Wenn ich mich über Technik aufrege, ist es oft einer der drei oben genannten Gründe.

    Ansonsten bin ich eher Technikverliebt und Werkzeugsüchtig. 😅😅


    Gruss

    iceman


    ach und zu deinem zweiten Gedanken:


    Ich habe mehrere alte, techniklose Mercedes durch renoviert und die fahren wirklich gut.


    Aber das Fahrgefühl eines neuen Fahrzeugs ist trotzdem ein anderes. Die Zuverlässigkeit eines mit Hightech voll gestopften, Irgendwas ist in der Regel trotzdem besser wie von einem Oldtimer im Alltag bewegt als Daily.


    Und es ist oft eine Wert Angelegenheit. Denn eine alte AT, die mit 20.000 € aufgewertet wurde, ist danach trotzdem keine 15.000 wert, sondern deutlich weniger.


    Das wäre zum Beispiel für mich ein Grund eine alte AT nicht komplett auf Neuzustand setzen. Angefangen vom Tacho über die Motordichtungen, die Zylinder und Kolben bis hin zu den Stoßdämpfern und seinen beweglichen Teilen.


    Denn nach austauschen allem überholen hab ich trotzdem ein altes Motorrad.

  • #7

    Nur einfache Lösungen sind genial . "Widder, Tesla Ventil .."


    Ich hab mir die CRF wegen der Carplay, schräglagenabhänige Traktionskontolle ec. gekauft. Und möchte diese auch nicht missen .

    Ich interessiere mich auch für Technik Elektronik...


    Aber mir geht die Umsetzung gehörig auf den Sack !

    CRF1100

    Ob das die Startbestätigung im Display ist ( Mit Adapter entfernt) , die Tastatur an der Lenkeramatur,

    Einstellungen in Untermenüs die ich vornehme und das bei jedem Motorstart neu .

    Das sperren des Touchscreen während der Fahrt- Sicherheit? Komisch in den modernen Autos geht ja alles über touch da wird nicht generell gesperrt ????


    allgemein

    Weil wir gerade bei Touch sind, Knöpfe ich möchte auf den Verkehr sehen und einfach blind im Auto rüber greifen und das Gebläse ec hochdrehen usw. und nicht erst auf dem Menüe suchen wo ich einen Slider schieben muss.


    Im Auto Spurhaltung , Tempowarnung, das permanente Gebimmel , Bremsungen wenn vor mir einer verzögert weil er abbiegt.......

    Schildererkennung die immer wieder falsch erkennt .... So ein Schrott aber einen Tempomaten der 20kmh in der Innenstatt beherrscht habe ich noch nicht gefunden. Auch hier wieder schlechte Umsetzung Software.


    Der Elektronikwahn hat natürlich auch seine Schattenseiten. Sicherlich spart ein CANBus Kabel und macht auch für das Zusammenspiel der Komponenten ABS TC Motormanagement Sinn. Je mehr Steuerteile zusammenarbeiten mit Software ,deren Busg , Wackelkontakten undichten Steckern..... um so anfälliger werden die Systeme. Einfache Funktionen die nicht mit andern Komponenten intergieren müssen (Heizgriffe Nebelscheinwerfer ..) würde ich einfach klassisch Sicherung - Schalter- Verbraucher klemmen. Da sehe ich in der ganzen Can Bus Geschichte keinen Vorteil.

    Simson S51B; Berliner Roller SR59; Schwalbe KR51/1;Kawasaki KLR250; Gilera Runner50; Honda Dominator08; Honda NC700x, Honda NES125; BMW r1100GS; Yamaha MT09 Tracer, CRF 1100L SD08 :atblack:

  • #8

    Das ständige Geschrei des TO : " Warum kauft ihr so ein Hightech Mopped" nervt mich mittlerweile gewaltig.

    Ich habe mir die AT wegen des Motors, des Getriebes und des Fahrwerks gekauft. Die tolle Elektronik macht Vergnügen, wäre für mich aber völlig verzichtbar.


    Eine AT 1100 Classic wäre für mich tatsächlich perfekt gewesen.

  • #9

    Vielleicht mal ein ganz einfacher Gedanke zur Eingangsfrage: Es gibt ein Recht auf analoges Leben! Und mancher möchte sich das wenigstens in kleinen Bereichen noch erhalten.


    Irgend ein Komiker meinte letztens, Duschen reicht zur Selbstoptimierung.

    Mit anderen Worten: Wir müssen vielleicht nicht jeden Quatsch mitmachen.

    Meine NT ist auch mit Eletronik voll, was zum Teil auch echt gut so ist. Aber ohne Handy mit dem Köter im Wald zu sein, ist auch richtig schön...

    Mit besten Grüßen aus der Uckermark


    Mirko :wboy:

  • #10

    Technologiefeindlichkeit würde ich es nicht mal nennen sondern eher eine natürlich Abwehrreaktion gegenüber Neuem, Unbekanntem. Diese Eigenschaft trägt wohl mehr oder weniger Jeder von uns in sich und hat vermutlich evolutionäre Gründe (Selbstschutz).

    Bestes Beispiel ist glaube ich auch die E-Mobilität. Noch vor wenigen Jahren gab es eine breite, abgrundtiefe Ablehnung unter meinen Kollegen (reine Außendienstorganisation), mich selber eingeschlossen. Und man hatte ja so viele gute Gegenargumente...

    Inzwischen haben durch staatliche Fördermaßnahmen (finanzieller Anreiz) fast die Hälfte unserer Dienstwagenfahrer freiwillig einen reinen Elektro-PKW, Tendenz stark steigend. Es gab keinen Zwang seitens der Geschäftsführung, wer möchte kann sich auch heute noch einen Diesel bestellen.

    Und was soll ich Euch sagen? Von den E-Autofahrern will keiner mehr zurück (mich eingeschlossen)! So ziemlich alle sind begeistert und loben die gerade in diesem Segment ausufernde Fahrassistententechnologie, das lautlose Dahingleiten und überhaupt den gesamten Technik-Schnickschnack in höchsten Tönen!

    Manchmal ist es eben auch einfach nur ein Lernprozess durch eigene Erfahrung aber eigentlich keine grundsätzliche Technologiefeindlichkeit. Wie schon gesagt wurde, Smartphones etc. haben ja auch alle...

    Viele Grüße


    Holger


    Honda Africa Twin CRF 1100L ES (SD13, 2024)

    Yamaha Tracer 7 GT (2025)

    Einmal editiert, zuletzt von Reiseendurist ()

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