Vorab: Mein erstes Motorrad war eine AT RD04 (1993). Als 2016 die "neue" AT rauskam habe ich das zwar freudig zur Kenntnis genommen. Ich fühlte mich aber nicht "herausgefordert". A war ich gerade mitten in meiner Motorrad-Abstinenz-Phase und B war mir die Neue konzeptionell viel weit von meiner seligen AT entfernt.
Dann wurde 2018 die AT AS vorgestellt... Das war für mich das, was ich unter einer AT verstehe. Groß, mächtig, die richtigen Farben und ein Design zum niederknien. November 2018 war die AT AS mein Wiedereinstieg in das Thema Motorrad. Und ich habe es nicht bereut. Im Gegenteil: ohne die ATAS wäre ich wahrscheinlich nicht zurück gekehrt und mir wäre einiges verwehrt geblieben.
Jetzt ist meine ATAS 2 Jahre alt und TÜV und Inspektion stand an... Mein Händler hat mir (natürlich) eine 1100er ATAS mit allem Zipp und Zapp (DCT, el.Fahrwerk) dahin gestellt als Ersatz für die 2 Tage.
Bisher kannte ich die 1100er nur vom Probesitzen und anschauen. Jetzt also fahren...
Der erste Eindruck war der, den ich von der Sitzprobe kannte: Liebling, wer hat die ATAS geschrumpft! Sie ist also niedriger und kleiner. Muss ja nicht nur Nachteil sein.
Also Platz genommen. Das Cockpit wird vom TFT-Display dominiert. Ansonsten wirkt es im direkten Vergleich zierlich. Wo ich bei meiner 1000er links und rechts noch Platz für Blumenvasen (oder ähnliches) habe ist die Neue schon zu Ende. Ich sitze erheblich niedriger (was das rangieren natürlich erleichtert). Dadurch ergibt sich eine völlig andere Geometrie. Ich sitze eher in der Maschine als auf... Die Scheibe ist in der tiefsten Position so schon im Weg. Wenn ich sie auf mittlere Position hochstelle (dazu später mehr) stört sie schon im Blickfeld. Bei meiner ATAS habe ich den Lenker wie bei einem Surbord in der Hand. Bei der Neuen muss ich vor- und nach unten beugen. Ungewohnt!
Das TFT-Display ist optisch erst Mal ein Vorteil. Wirklich übersichtlich ist es aber auch nicht. Dass man erst Mal OK drücken muss, bevor es angeht: unnötig! Geschenkt!
Einstellungen kann ich ungeübt nicht vornehmen. Selbst die Verkäuferin tut sich schwer... Das ist auch ein Kernvorwurf, den ich in Grundzügen von der 1000er schon kenne: Die Bedienung ist nicht selbsterklärend! Ich bin noch die Generation VHS-Rekorder und sicher Kummer gewöhnt, aber 2020 muss die Bedienung Spass machen. Wir haben vom iPhone gelernt wie das gehen kann und diese Einfachheit sehe ich bei der ATAS nicht. Wie gesagt: bei der "alten" auch nicht, aber da ist es bei weitem nicht so komplex. Aber auch bei der musste ich schon 2 x anhalten und im Handbuch nachschauen, wie ich einen bestimmte Einstellung zurück stellen kann, weil ich aus Versehen irgendwo was verstellt habe. Das würde ich bei der Neuen auch vermuten. Fü die Probefahrt habe ich mir vorgenommen nichts zu verstellen, weil ich mich nicht ablenken lassen wollte.
Gestern waren hier im Rheinland 20 Grad. Irgendwer hat bei der Maschine die Heizgriffe voreingestellt, was bei den Temperaturen echt unangenehm war. Daran hat mich gewundert, dass das eingestellt blieb. Bei meiner sind die Heizgriffe aus, wenn ich neu starte. Aber wie zum Teufel stellt man die aus?! Einen Knopf gibt es wohl nicht mehr. Geht wohl nur noch übers "Menü". Großartig! Ich musste also mit Griffheizung weiter fahren bei 20 Grad... Das sind so (unnötige) Kleinigkeiten, die es einem echt vermiesen können. Später habe ich gedacht: Vielleicht kann man das mit dem Touchscreen ausstellen? Muss ich später mal probieren.
Noch mal zurück: Maschine erstmals angeworfen. Bei meiner 1000er ärgere ich mich über den zu lauten Auspuff. Jetzt nicht mehr! Bei der 1100er ist der zwar leise, aber der Motor hört sich dafür im Vergleich wie ein (sorry!) Rasenmäher an. Wenn man fährt ist es ok. Aber im Stand oder bei langsamer Fahrt hört sich das für mich nicht gut an.
Bei der Sitzbank stosse ich hinten an eine Kante. Gut daran: ich kann mich abstützen. Schlecht: die Kante stört!
Die Scheibe stand ert Mal ganz unten. Ich hatte ein ständiges Pfeifen am Helm, was ich so nicht kenne. Auch Änderung der Kopfpostion änderte nichts daran. An der nächsten Ampel habe ich die Scheibe etwas höher gestellt. Pfeifen weg, aber dafür habe ich jetzt die Kante der Scheibe im Blickfeld. Ich glaube nicht, dass die Scheibe an sich größer ist aber durch die niedrigere Sitzposition ist sie mir im Weg. Richtig hoch stellen kam mir nicht in den Sinn... Bei meiner 1000er empfinde ich die Serienscheibe als perfekt seitdem ich diese Abdeckung an der Gabel dran habe. Bei der Neuen ist es für mich trotz Verstellung nicht so perfekt.
Endlich mal was positives: Die Neue scheint handlicher und flösst mehr Vertrauen ein. Das Fahrwerk stand auf "Tour". Ich habe es als härter empfunden. Wahrscheinlich auch präziser.
Der Motor ist nicht kultivierter. Ob er mehr Leistung hat? Kann sein! Auf meiner Strecke habe ich davon nichts gemerkt. Heißt aber nichts; war schließlich Feierabendverkehr...
Erstes Fazit für mich: es ist wie erwartet "keine Strafe" die Neue zu fahren. Ein paar Sachen gefallen mir richtig gut. Das Display für sich ist natürlich besser. Beide Scheinwerfer "an" habe ich seit meiner RD 04 drauf gewartet...
Ein paar Sachen stören mich. Für mich wirkt die 1100er mehr wie ein gewöhnliches Motorrad. Da Besondere, was die 1000er ATAS durch die Ihre Höhe und Massivheit noch auszeichnet hat man der 1100er ausgetrieben. Für mich ist die ATAS damit da angekommen, wo einige Tester sie auch sehen: lediglich in der Reise-Enduro Mittelklasse. Die alte ATAS ist für mich ein Klasse für sich und nicht direkt vergleichbar. Die Neue schon... Das kann man jetzt als Vor- oder Nachteil sehen. Für mich ist alleine das schon ein guter Grund nicht umzusteigen.
Kommt für mich eh' nicht in Frage: ich habe meine 1000er in 2 Jahren jetzt so ausgestattet, wie sie mir gefällt. Bei der Neuen würde mir so einiges fehlen und ich müsste neu anfangen. Das macht für mich keinen Sinn. Ich sehe die Vorteile nicht. Manches geht für mich sogar in die falsche Richtung: Apple CAR-play bei einem Motorrad verstehe ich nicht! Man opfert das schöne TFT ein paar eingeschränkten Anwendungen, die entweder eingeschränkt sind (z.B. Navi) oder auf einem Motorrad (für mich) unnötig sind. Auf einem Motorrad möchte ich nicht telefonieren! Es reicht mir zu wissen, dass jemand angerufen hat. Hörbücher oder Musik möchte ich auch nicht hören.... Calimoto (und andere Sachen) kann es nicht... Also: was soll das?! Wenn ich es hätte, würde ich es auch sicher ausprobieren, aber eigentlich kann mein Handy alleine schon vieles und einiges besser. Für mich geht Honda da in die falsche Richtung. Wenn es die Bedienung vereinfachen würde: ja! Tut es aber nicht. Diese Knöpfe-Flut ist selbst für Generation VHS abschreckend und 2020 nicht würdig. Vielleicht bekommt man das in Folgegenarationen hin. Ich werde diese Generation aus vielen Gründen überspringen und ob mich noch mal eine AT in Zukunft reizt: keine Ahnung! Ich bleibe auf jeden Fall noch eine ganze Weile meiner 1000er treu! Obwohl: rangieren ist mit der Neuen schon einfacher... Das Fahrwerk ist sicher besser... Das Licht auch (obwohl "Kurvenlicht" finde ich albern wie gemacht ist)... TFT ist schicker... Schlauchlos hat auf der Straße auch Vorteile... Wenn ich es neu zu machen hätte: kein Problem! Als 1000er ATAS-Besitzer: keine Notwendigkeit erkennbar... In diesem Sinne...